Bei ihrem Bundesliga-Auswärtsspiel mit dem KC Schrezheim gegen Pöllwitz schafft Kathrin Lutz Historisches: Als erste Frau weltweit durchbricht die 34-jährige Sportkeglerin die 700-Punkte-Schallmauer. Es ist das Ergebnis jahrelangen, harten Trainings, für das sie auch manchmal ungewöhnliche Wege geht.
Neue Weltbestleistung - aber kein Weltrekord
712 Punkte standen am Ende auf der Anzeigetafel - der bisherige Rekord lag bei 699. Kathrin Lutz riss jubelnd ihre Hände in die Luft, es folgten Standing Ovations der Zuschauer. Mit diesem Ergebnis stellte die 34-jährige Sportkeglerin aus Ellwangen eine neue Weltbestleistung auf. Ein offizieller Weltrekord ist es nur deshalb nicht, weil diese nur bei Weltmeisterschaften erreicht werden können.
"Ich kann das bis heute noch nicht so richtig fassen," erzählt Kathrin Lutz mit einem breiten Grinsen. "Das ist unglaublich." Nach ihrer herausragenden Leistung geht sie erstmal zu ihrem Vater und fragt, ob das Ergebnis wirklich stimme. Er bejaht und rät ihr, den Moment einfach zu genießen.
Zahlen nur verschwommen - Kathrin Lutz kegelt ohne Brille
Kathrin hat eine Sehschwäche. Da sie ohne Brille oder Kontaktlinsen spielt, erkennt sie die Zahlen auf der Anzeigetafel nicht. "Ich hab nur gemerkt, dass das Handtuch immer mehr zittert von meinem Papa."
Das Handtuch reicht Wolfgang Lutz ihr als Betreuer nach jedem Wurf, damit sie ihre Hände abtrocknen kann. Dabei gibt er ihr Tipps, worauf sie achten muss. "Aber so wie sie gespielt hat, war das eigentlich klar, dass sie die 700 packt," erzählt Vater Wolfgang voller stolz.
Kurios: Rund zwei Wochen vor ihrem Erfolg teilt Kathrins Bruder Fabian ihr mit, dass er im Gefühl habe, sie könnte die erste Frau sein, die das schafft. "Dass es gleich zwei Wochen später passiert, war natürlich Zufall," sagt er lachend. Für ihn liegt es vor allem an Kathrins Technik, die sich durch einen kraftschonenden, "runden Ablauf" auszeichnet.
Die kegelverrückte Familie Lutz aus Ellwangen
Kathrins Erfolgsgeschichte beginnt schon als Kind. Sie wächst rund sieben Kegelbahnen Luftlinie vom Vereinsheim des KC Schrezheim auf. Mutter Mäggy Lutz, selbst Sportkeglerin, hat ihre Kinder immer zum Training mitgenommen, "sie sind also auf der Kegelbahn aufgewachsen." Kaum konnten sie laufen, hatten sie schon die Kugeln in der Hand, erinnert sich Mäggy.
Schnell zeigt sich Kathrins Talent. Vater Wolfgang trainiert sie von klein auf. Sie holt Bezirks- und Landesmeisterschaften. Wird sogar Jugendweltmeisterin im Jahr 2007 und ist die erste gebürtige Ellwangerin, die in einer Sportart eine Weltmeisterschaft gewinnen konnte. "Dann war in Ellwangen Sportlerehrung, da gabs Standing Ovations. Ich habe sowas vorher gar nicht gekannt."
Kegeln findet wenig Beachtung
Kathrin trainiert mehrmals pro Woche, hinzukommen Spiele in ganz Deutschland und international. Viel Aufwand für ein Hobby. Doch: Kegelkugeln rollen ziemlich unterm Radar, in der Bevölkerung. Die Sportart kämpft mit einem Kneipenimage. Kathrin vermisst oft die Wertschätzung und Unterstützung in der Region.
Eine mögliche Professionalisierung des Kegelsports sieht sie aber kritisch. Sie und ihre Teamkolleginnen sind wie beste Freundinnen. Nur durch die Unterstützung ihrer Mädels sei sie überhaupt zu solchen Leistungen fähig, erzählt sie dankbar. "Wir weinen zusammen und wir heulen zusammen. Wenn wir das auf professioneller Ebene machen, weiß ich nicht, ob das noch diesen Flair hat."
Mit Yoga und Pilates zu Höchstleistungen
Deshalb verdient Kathrin ihre Brötchen als Projektsachbearbeiterin bei Zeiss in Oberkochen (Ostalbkreis). Direkt nach ihrem Erfolg wird sie in der Kantine sogar schon erkannt. "Ich habs kaum geschafft, in meiner Mittagspausezeit zu essen, weil ständig jemand kam und gratuliert hat."
Besonders die beim Kegeln so wichtige Eigenschaften wie Teamgeist, Konzentration und Ausdauer kommen ihr in ihrem Job zu Gute. Diese Eigenschaften fördert Kathrin deshalb seit einigen Monaten zusätzlich durch Yoga und Pilates.
Ihre Trainerin Nina Wetzstein vom ellVida Gesundheitszentrum in Ellwangen sieht einige Vorteile, die Yoga Kegelsportlern bieten kann. "Einfach die Balance zu finden, mehr Mobilität zu haben", so Nina Wetzstein. Außerdem sei es ein guter Ausgleich zu dem straffen Programm, das Kathrin Lutz abreißen muss.
FinalFour in Ulm
Dazu gehört auch das Pokal Final Four, das ab dem 27. April in Ulm stattfindet. Hier haben die Damen des KC Schrezheim auch die Chance, sich für den Europapokal zu qualifizieren. Und vielleicht schreibt dann Kathrin Lutz direkt wieder Sportgeschichte. Denn der erste Gegner heißt erneut: Pöllwitz.